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Ein Junge sitzt auf dem Sofa, hat Kopfhörer an und schaut auf sein Tablet.

Was schützt unsere Kinder vor digitaler Radikalisierung?

Die Netflix-Serie „Adolescence“ zeigt erschütternd, wie Kinder online radikalisiert werden – Was steckt dahinter?

So begleitest du dein Kind sicher durchs Netz

Der Weg ins Extreme ist oft schleichend. Wichtig ist, dass Eltern den Kontakt zu den Kindern nicht verlieren und mitbekommen, was sie bewegt – ob im echten Leben oder in der digitalen Welt.

Der sinnvolle Umgang mit digitalen Medien und die Gefahren, die hier potenziell auf unsere Kinder lauern, sind ein Dauerbrenner unter Erziehenden. Kein Wunder, dass die verstörende Netflix-Serie Adolescence, in der der 13-jährige Jamie zum Mörder seiner Mitschülerin wird, nachdem er sich im Internet radikalisiert hat, ordentlich für Gesprächsstoff sorgt. Vier intensive Folgen beschäftigen sich mit der zunehmenden Verbreitung von radikalen Tendenzen in den sozialen Medien, die über Smartphone-Bildschirme in Klassenzimmer und Sportvereine – und damit mitten in die Lebenswelten unserer Kinder – gespült werden. Was also tun, damit es gar nicht erst so weit kommt? Ein Gespräch mit Medienexpertin Verena Weigand.

 

Mamsterrad

Im Interview

Verena Weigand

Verena Weigand

Im Interview

Verena Weigand

Verena Weigand ist Medienexpertin und stellvertretende Vorsitzende der BLM Stiftung Medienpädagogik Bayern. Die gemeinnützige Stiftung fördert Medienkompetenz in unterschiedlichen Bereichen, mit Projekten wie dem Elternratgeber FLIMMO, dem Medienführerschein Bayern oder dem medienpädagogischen Referentennetzwerk Bayern. Auch wir bei Sailer profitieren regelmäßig von ihrer Kompetenz. Eltern und Kindern unserer Stafette-Community ist sie bestens als Autorin der WIR-Seite bekannt.

FLIMMO unterstützt Eltern und Familien bei der alltäglichen Medienerziehung. Ob TV, Mediatheken, Kino, Streaming oder Social Media – FLIMMO verschafft einen Überblick darüber, was gerade läuft, und hilft mit pädagogischen Einschätzungen bei der altersgerechten Auswahl. FLIMMO bewertet in kurzen Besprechungen, was Kinder zwischen 3 und 13 Jahren gerne sehen. Eine Ampel zeigt auf den ersten Blick, ob Filme, Serien oder ausgewählte Social-Media-Kanäle für Kinder geeignet sind. 

Expertinnen-Interview mit Verena Weigand 

Liebe Frau Weigand, die aktuelle Netflix-Miniserie Adolescence ist verstörend, herzzerreißend und wichtig. Was hier gezeigt wird, ist der Albtraum aller Eltern. Für wie real halten Sie es, dass Kinder sich im Netz extremistische Influencer zum Vorbild nehmen und sich dadurch unbemerkt radikalisieren? 

Die „Adoleszenz“, also die Phase der Jugend, ist die Zeit, in der sich Kinder ausprobieren, nach Orientierung und Vorbildern suchen und sich vor allem von den Eltern abgrenzen wollen. Heute findet das auch digital statt – zu einem großen Teil auf Social Media. Egal ob Umweltschutz, Fitness oder Gaming: Es finden sich schnell Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen kann und die einen verstehen. Der Algorithmus verstärkt diesen Effekt durch das Anzeigen ähnlicher Inhalte. Ein Gefühl der Zugehörigkeit entsteht, die eigene Meinung wird bestätigt. Was vielen Jugendlichen Halt gibt und durchaus gut sein kann, kann manchmal aber auch in die falsche Richtung führen. Vor allem, weil manches auf Social Media harmlos daherkommt: ein lustiges Video auf TikTok, ein Meme auf Instagram. Dass dahinter problematische Ideologien stecken können, ist oftmals gar nicht so leicht erkennbar. Der Weg ins Extreme ist oft schleichend. Wichtig ist, dass Eltern den Kontakt zu den Kindern nicht verlieren und mitbekommen, was sie bewegt – ob im echten Leben oder in der digitalen Welt.

Kinder auf dem Pausenhof schauen alle auf ihr Handy.

Den Kindern die Smartphones wegnehmen oder den Zugang zum Internet sperren, kann wohl kaum die Lösung sein. Was also können wir tun, um unsere Kinder vor digitaler Radikalisierung zu schützen?

Kinder von der digitalen Welt fernzuhalten, funktioniert nicht. Wie bei vielen Erziehungsthemen wird der Grundstein auch hier am Anfang gelegt. Ein Smartphone benutzen zu dürfen, bedeutet noch lange nicht, unbegrenzten Zugang zu allen Social-Media-Plattformen zu haben. Vor allem bei Kindern, also unter 14 Jahren, sollten Eltern die Nutzung begleiten. Bei einigen Plattformen gibt es technische Möglichkeiten wie den „begleiteten Modus“ oder die „Elternaufsicht“ (einen Überblick dazu bietet FLIMMO hier). Nach und nach können Kinder mehr Freiräume bekommen. Wichtig ist, den Kontakt nicht zu verlieren, interessiert und gesprächsbereit zu bleiben. So lernen Kinder, Inhalte einzuordnen und die Online-Plattformen kompetent für sich zu nutzen.
Sind sie bereits auf Social Media unterwegs, lohnt es sich, dranzubleiben und die medialen Vorlieben zu kennen. Viele Kinder reagieren aufgeschlossen und zeigen bereitwillig ihre liebsten Kanäle oder Influencer:innen. Auch wenn Erwachsene die Faszination vielleicht nicht nachvollziehen können, sollten sie nicht abwertend reagieren.

 

Ein Junge zeigt seiner Mutter auf dem Smartphone etwas.

Wie wichtig ist die Rolle der Eltern bei der Vermittlung von Medienkompetenz? Welche konkreten Schritte können Erziehende unternehmen, um Kinder im Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen?

Man darf nicht vergessen: Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder, auch in Sachen Medien. Sie bekommen mit, wie Eltern mit Social-Media-Inhalten umgehen oder wie schwer es manchmal fällt, das Smartphone aus der Hand zu legen. Aufgabe der Eltern ist es hier, Grenzen zu ziehen und sich gemeinsam mit den Kindern auf ein paar grundlegende Regeln zu verständigen – beispielsweise kein Smartphone am Esstisch.

Komplizierter sind Themen wie Desinformation, mit Künstlicher Intelligenz manipulierte Inhalte oder eben extremistische Überzeugungen – hierauf kann man Kinder nicht vollumfassend vorbereiten. Aber man kann sie dafür sensibilisieren, Inhalte kritisch zu hinterfragen, unterschiedliche Quellen zu vergleichen und nicht vorschnell Inhalte zu teilen. Und man kann vor allen Dingen selbst als Anlaufstelle bei Fragen und Unsicherheiten zur Verfügung stehen.

 

Ein Lehrer zeigt einem Schüler etwas auf dem Bildschirm eines PCs.

Inwiefern sind Schulen und Bildungseinrichtungen verantwortlich für die Medienerziehung ihrer Schüler:innen? Welche Rolle spielen sie dabei, um Kinder vor Extremismus im Netz zu schützen?

Medienerziehung findet hauptsächlich in der Familie statt. Aber der Umgang mit Medien ist natürlich auch Thema in der Schule. Vieles, was Kinder und Jugendliche in ihrem Medienalltag beschäftigt, kommt dort an. So ist seit einigen Jahren die Vermittlung von Medienkompetenz ein Bildungsziel, das in den Lehrplänen der Schulen verankert ist. Wie das konkret in der Praxis aussieht, ist von Schule zu Schule verschieden. Lehrkräfte werden mit dem Thema nicht allein gelassen, mittlerweile gibt es viele gute Materialien und Angebote, die dabei unterstützen, Medienkompetenz ganz praktisch und alltagsnah zu fördern. In Bayern haben wir beispielsweise den Medienführerschein Bayern, der Anregungen und kostenlose Materialien für Schulen, Kitas oder die außerschulische Bildungsarbeit anbietet. In verschiedenen Modulen werden Kinder und Jugendliche zum Beispiel für eine verantwortungsvolle Nutzung von Social-Media-Angeboten sensibilisiert und setzen sich mit verletzendem Online-Handeln wie Hate Speech oder Cybermobbing auseinander.

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Umgang mit Informationen aus dem Internet, also die Fähigkeit, glaubwürdige Quellen, Meinungsäußerungen und gezielte Desinformation voneinander unterscheiden zu können – im Hinblick auf Extremismus-Prävention ein ganz wichtiger und grundlegender Baustein. Insgesamt funktioniert Medienerziehung am besten, wenn Schule und Elternhaus zusammenarbeiten. Daher ist es wichtig, Eltern einzubinden und zu sensibilisieren. Dafür bieten sich Elternabende wie die des Medienpädagogischen Referentennetzwerks Bayern an, die von bayerischen Bildungseinrichtungen zu Themen wie Cyber-Mobbing, Fake News oder Social Media kostenfrei gebucht werden können.

 

Grafik, die aufzeigt, wie vielfältig digitale Medien sind.

Wie können wir das Thema digitale Verantwortung und Medienkonsum im Familienalltag kindgerecht und verständlich vermitteln, ohne Angst oder Abwehr zu schüren?

Wie bereits gesagt: Medien gehören zu unserem Alltag und Kinder wachsen schon früh damit auf. Das bietet die Chance, dass sich Eltern und Kinder die digitale Welt gemeinsam erschließen. Eltern können zeigen, welche Inhalte gut geeignet sind, wie Medien kreativ genutzt werden können. Aber auch, wo Vorsicht geboten und was bei der Nutzung wichtig ist.

Kinder verstehen schnell, dass im Internet vieles nicht für sie geeignet ist und sie sogar verstören oder ängstigen kann. Hier können Filter und andere Einstellungen helfen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht, aber auf diese Weise fühlen sich Kinder vielleicht etwas sicherer. Wenn sie dann noch ein paar Regeln und Tipps im Hinterkopf haben, worauf zu achten ist, haben sie ihren „Ausschnitt“ der digitalen Welt recht gut im Griff. Sie nutzen unterschiedliche Apps, um Spiele zu spielen, Videos zu schauen oder Fotos zu bearbeiten. Mit der weiterführenden Schule kommen dann meist andere Anwendungen dazu. Die digitale Welt wird wieder ein Stück größer und bringt aber auch neue Themen und Fragen, mit denen sie konfrontiert werden. Diese Chance sollten Eltern nutzen. Nicht immer ist die Antwort leicht, Angebote wie FLIMMO, handysektor, klicksafe oder juuuport können da hilfreich sein.

 

Ein Junge hat diverse digitale Geräte vor sich liegen.

Was sind erste Anzeichen, auf die wir Eltern achten sollten, die darauf hindeuten, dass das eigene Kind in einen extremistischen Strudel geraten könnte? Was sind in diesem Fall erste Schritte, um schnelle Hilfe zu leisten?

Häufig ist das ein schleichender Prozess. Verändern sich Hobbys oder der Freundeskreis, kommen Randbemerkungen, die einen aufhorchen lassen, zieht sich das Kind zurück oder ist eine deutliche Wesensänderungen bemerkbar, dann würde ich einmal genauer hinsehen. Das ist während der Pubertät aber gar nicht so leicht einzuschätzen. Oft ist in dieser Phase leider auch die Gesprächsbereitschaft nicht mehr so gegeben.

Eltern haben meist ein recht gutes Gespür für ihre Kinder. Lässt einen der Verdacht nicht los, können Angebote wie die Nummer gegen Kummer oder ein Telefonat mit der Beratungsstelle Radikalisierung hilfreich sein.

 

Vielen Dank für dieses spannende Gespräch, liebe Frau Weigand!

Kathi Schmitz

geschrieben von
Kathi Schmitz