Sozialverhalten, Zahlenverständnis, Motorik – das Thema Kinder und Kompetenzen ist gerade in Zeiten der Einschulung in vieler Munde. Jede einzelne von ihnen hat ihre Berechtigung, keine Frage. Dennoch gewinnt eine Fähigkeit in unserer digitalen Welt zunehmend an Bedeutung. Welche das ist? Lisa Reinheimer von klassenheld verrät es im Interview.
Im Interview
Lisa Reinheimer
Lerncoach und Gründerin von klassenheld
Im Interview
Lisa Reinheimer
Lerncoach und Gründerin von klassenheld
Lisa Reinheimer ist Lerncoach und Gründerin von klassenheld. Ihre Mission: Jedes Kind kann eine glückliche Schulzeit haben. Wie das geht, erklärt sie Eltern und Lehrer:innen in ihren Mentoring-Programmen, über Instagram und in ihrem Podcast „Dein Kind wird Klassenheld!“. Wir haben mit ihr über Konzentrationsfähigkeit bei Kindern gesprochen. Wie wichtig diese für eine gelungene Schullaufbahn ist und wodurch jedes Kind sie spielend leicht lernen kann, das erzählt sie uns hier.
Liebe Lisa, als Coach, Mentorin und ehemalige Lehrerin bist du Expertin, wenn es um das Thema Konzentration geht. Warum fällt es so vielen Kindern schwer, im Unterricht und bei den Hausaufgaben aufmerksam zu bleiben?
Ich würde gern mit einer Gegenfrage antworten: Ist das tatsächlich so? Fällt Konzentration den Kindern wirklich schwer? Oder denken wir Erwachsenen das nur, weil sie sich (noch) nicht so lange konzentrieren können wie wir?
Die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern wächst kontinuierlich und folgt in etwa dem Richtwert „Alter mal 2“. Das bedeutet, dass sich ein sechsjähriges Kind in etwa 12 Minuten lang wirklich auf eine Sache fokussieren kann. Neben dem Entwicklungsstand spielen noch einige andere Faktoren eine wichtige Rolle: Hat das Kind ein echtes Interesse an den Inhalten, auf die es sich fokussieren soll? Weiß es, was es zu tun hat und entsprechen die Aufgaben seinem Lernniveau? Ist es ausgeschlafen und gesund? Hat es einen abwechslungsreichen Alltag, in dem auch Sport und Spielen an der frischen Luft eine Rolle spielen? Wie lang sind die Lernintervalle und gibt es feste Lernzeiten, die ausreichende Pausen beinhalten? Wie sieht es mit dem Lernumfeld aus? Spielen die Geschwister im selben Raum und läuft irgendwo ein Tablett, das Radio oder der Fernseher?
All diese Faktoren wirken sich darauf aus, wie fokussiert ein Kind bei der Sache bleiben kann. Das zeigt interessanterweise auch, dass es zunächst einmal gar nicht um eine Kompetenz geht, die das Kind erwerben müsste – sondern vielmehr um Rahmenbedingungen, die es dabei unterstützen, Konzentration überhaupt aufbauen zu können.
Ich rate Eltern im Mentoring immer dazu, erst einmal das Lernumfeld bewusst anzuschauen und dieses so gut wie möglich zu verbessern, ehe sie sich wirklich Sorgen um ihr Kind machen. Am besten beziehen sie ihren Nachwuchs dabei gleich mit ein. Es ist nämlich sehr motivierend, die eigenen Bedingungen immer weiter zu verbessern – und die positiven Auswirkungen unmittelbar zu spüren.
Warum ist für dich gerade Fokus eine so wichtige Zukunftskompetenz?
Ganz einfach: Weil wir in einer digitalisierten Welt leben, die unsere Aufmerksamkeit kontinuierlich fordert und in der überall Ablenkung lauert.
Ich glaube fest daran, dass zukünftig diejenigen zu den Gewinnerinnen und Gewinnern zählen werden, die in der Lage sind, sich auf das zu fokussieren, was ihnen wichtig ist.
Die sich Ziele setzen und diese mit einer gewissen Kontinuität verfolgen können. Und die Instrumente erlernt haben, um in einem entspannten Umfeld zu arbeiten.
Wie können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, genau das zu lernen und die eigene Fokusspanne mit der Zeit immer mehr zu steigern?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Sehr hilfreich ist es, feste Lern- und Pausenzeiten einzuhalten, in denen Ablenkungen von außen abgeschaltet werden. Natürlich geht es hierbei nicht darum, minutengenau eine bestimmte Uhrzeit einzuhalten, sondern vielmehr um eine routinierte Abfolge, die dem kindlichen Bedürfnis nach Sicherheit, Klarheit und Struktur gerecht wird.
Außerdem bin ich eine große Befürworterin von fest definierten Medienzeiten, in denen die Kinder altersgerechte Inhalte konsumieren dürfen. Lesen ist eine fantastische Konzentrationsübung, auch ohne lange Romane. Kurze Geschichten oder Reportagen trainieren die Konzentration ebenso gut und überfordern nicht.
Woran viele Eltern vielleicht im ersten Moment nicht denken, ist diese einfache Konzentrationsübung: Spiele zu Ende spielen, Prozesse ganz abschließen. Ein Spiel holen, es aufbauen, bespielen und am Ende an seinen Platz zurückbringen. Das fördert Konzentrationsfähigkeit und Durchhaltevermögen gleichermaßen.
Meine persönliche Geheimwaffe für mehr Fokus ist Alphawellen-Musik, mit der ich mittlerweile schon viele Schulkinder (und deren Eltern) regelrecht verzaubert habe. Alphawellen sind elektromagnetische Wellen, die das Gehirn erzeugen kann. Es gibt 5 unterschiedliche Wellen von Deltawellen mit dem niedrigsten bis hin zu Gammawellen mit dem höchsten Frequenzbereich. Jede Frequenz erfüllt im Gehirn eine unterschiedliche Funktion. Alphawellen treten dann auf, wenn wir uns im Zustand der entspannten Wachheit befinden: Wir sind geistig aktiv und aufnahmefähig, körperlich aber entspannt. Das ist der Optimalzustand, um fokussiert zu lernen und kreativ zu arbeiten!
Musik kann uns ganz leicht in genau diese Lage versetzen, daher habe ich eine Alphawellen-Playlist erstellt, meine „Hokus Pokus Fokus“-Musikliste, die auf Spotify frei zugänglich ist. Zu Beginn sind die Töne vielleicht ungewohnt, aber es lohnt sich, dranzubleiben, loszulassen und beim Hören der Musik einfach mal die Hausaufgaben zu machen. Wer weiß – vielleicht lernt es sich dann bald schon ganz im Flow?