Wie können wir Desinformation erkennen und unsere Kinder zu mündigen, hinterfragenden Mediennutzenden erziehen?
In einer Zeit, in der falsche Behauptungen in den sozialen Netzwerken so schnell verbreitet werden wie nie, stellt sich diese Frage immer dringlicher. Teresa Dapp, seit 2021 Leiterin der Faktencheck-Redaktion der dpa, gibt einen Einblick in ihre Arbeit und erklärt, wie wir junge Menschen für Medienkompetenz sensibilisieren können. In unserem Gespräch verrät sie, was Erziehende tun können, um Kinder sicher durch die Welt der Informationen zu begleiten.
Im Interview
Teresa Dapp
Im Interview
Teresa Dapp
Teresa Dapp (dpa) im Interview über Falschbehauptungen und Medienkompetenz für Kinder
Liebe Teresa, seit 2021 leitest du die Faktencheck-Redaktion der dpa, bist also Profi beim Hinterfragen von Informationen und Identifizieren von falschen Behauptungen. Wie stellen wir uns konkret deinen Beruf als Faktencheckerin vor?
Wir schauen uns Behauptungen aus Social Media oder von Menschen in der Öffentlichkeit an und fragen uns: Stimmt das? Daraus entstehen dann Faktenchecks. Wir helfen außerdem anderen Redaktionen, wenn sie zum Beispiel auf Videos aus dem Netz stoßen und sich fragen, ob da wirklich das zu sehen ist, was behauptet wird. Manchmal sind Fotos zum Beispiel schon Jahre alt oder Videos stammen in echt aus einem Computerspiel, oder sie wurden mit KI generiert.
Wie läuft der dpa Faktencheck eigentlich ab?
Es sind mindestens zwei Leute daran beteiligt. Zuerst entscheiden wir, ob eine Behauptung wirklich gecheckt werden kann – denn Meinungsäußerungen sind natürlich nichts für den Faktencheck. Dann geht es an die Recherche. Wie die läuft, hängt von der Behauptung ab – manchmal lesen wir Studien und befragen Expertinnen und Experten, manchmal rufen wir Pressestellen an. Oft versuchen wir mit der Bilder-Rückwärts-Suche rauszufinden, ob ein Bild oder Video schon mal in anderem Zusammenhang veröffentlicht wurde. Und wir nutzen verschiedene Tools, um zum Beispiel Orte und Aufnahme-Zeiten zu bestimmen.
Ist der Faktencheck aus deiner Sicht der Grund dafür, dass die dpa seit jeher für große Glaubwürdigkeit steht?
Die dpa gibt es schon seit 76 Jahren, und Verlässlichkeit und Unabhängigkeit waren für uns schon immer die Grundlage unserer Arbeit. Und es stimmt, Faktencheck gehörte auch schon immer zum journalistischen Handwerk der dpa. Ziemlich neu ist dagegen, dass Redaktionen sich mit sogenanntem User Generated Content auseinandersetzen müssen – also Postings auf Social Media, die viral gehen, ohne dass wir genau wissen, was die Quelle dafür ist. Für Falschbehauptungen und gezielte Desinformation ist das ein sehr wirksamer Verbreitungsweg, dem wollen wir etwas entgegensetzen.
Wieso verbreiten sich falsche Behauptungen gerade unter Kindern und Jugendlichen so rasant und wie kann man gegensteuern – als Erziehende ebenso, wie als Gesellschaft?
Ab einem bestimmten Alter gehören Jugendliche zu der Gruppe, die soziale Netzwerke am intensivsten nutzt. Gleichzeitig haben sie weniger als die ältere Generation Kontakt mit traditionellen journalistischen Inhalten, und weniger Erfahrung im Kontakt mit Falschbehauptungen. Wie leicht man zum Beispiel ein Foto verändern kann, auch über die bekannten Filterfunktionen von Instagram und TikTok hinaus, können Kinder und Jugendliche schon früh verstehen. So etwas kann Thema am Esstisch sein, aber auch in der Schule oder anderen Bildungseinrichtungen. Auch wir tragen mit Projekten zur Aufklärung bei, etwa über unser Teen Fact-Checking Network. Wir betonen aber auch, dass Medienkompetenz nicht nur für junge Menschen wichtig ist – sondern wirklich für alle.
Welchen Mehrwert siehst du in der Kooperation mit Sailer im Rahmen der neuen Bildungsinitiative? Und weshalb passt der Podcast „Klugschnabeln“ so gut zur dpa?
Es ist uns ein Anliegen, nicht nur faktenbasierte Nachrichten und verifizierte Daten zu liefern, sondern auch, Nachrichten- und Medienkompetenz zu vermitteln. Dafür hat dpa zum Beispiel mit Partnern die Initiative #UseTheNews gegründet. Für Teens und die Gen Z gibt es einige Angebote – für Jüngere bisher nicht so viel. Dabei kommen ja schon Grundschülerinnen und Grundschüler in Kontakt mit Social Media, sei es über die Eltern, den Freundeskreis oder das eigene Gerät.
Zeit für ein Geständnis: Welche war die größte Falschbehauptung, die du im ersten Moment doch geglaubt hast?
Die Sache mit den Bettwanzen in Frankreich vor zwei Jahren – da gab es Panikmache und auch Falschbehauptungen, die das Thema künstlich aufgeblasen haben. Und es hat ziemlich lange gedauert, bis das aufgefallen ist, ich habe es auch erst mal nicht hinterfragt. 2023 dachte man ja auf Basis von Postings auf Social Media und auch Medienberichterstattung darüber, dass Bettwanzen in Frankreich überall lauern, vom Kino bis zur Metro. Es gab wohl schon mehr dieser Tiere als früher, aber die Hysterie war absichtlich befeuert.
Das Thema Desinformation bringt (notwendigerweise) gerade für Erziehende etwas Bedrohliches mit sich, ein Gefühl des Ausgeliefertseins und Kontrollverlusts. Wie können wir Eltern unsere Kinder mit Leichtigkeit anstelle von Angst auf dem Weg in die „Medienmündigkeit“ begleiten?
Ich bin keine Pädagogin, sondern Journalistin. Aber ich glaube, dass ein guter Weg ist, in Kindern die Neugier auf echte journalistische Nachrichten zu wecken – da gibt es ja tolle Angebote, auch ich lese gern, wie unsere Kindernachrichten-Redaktion aktuelle Themen erklärt.
Wenn Kinder lernen, dass es außerhalb der Algorithmus-bestimmten Welt der sozialen Netzwerke auch spannende und unterhaltsame journalistische Angebote für sie gibt, schafft das sicher eine gute Grundlage.
Vielen Dank für dieses spannende und lehrreiche Interview!
Weitere Informationen zu unserer Bildungsinitiative „Sei ein Klugschnabel“ stehen euch hier zur Verfügung:





