Kinder belohnen: Ja oder nein?
Warum Belohnungssysteme schaden können. Und wann sie motivieren.
Belohnungssysteme: Darum sind sie kontraproduktiv
Neben dem Korrumpierungseffekt gibt es 3 weitere Gründe, die gegen äußere Anreize als Erziehungsmaßnahme sprechen:
1. Belohnungen schwächen die Wahrnehmung für eigene Bedürfnisse
Ein Kind, das den Salat nur isst, um danach etwas Süßes zu bekommen, lernt durch die Belohnung nicht, den Körper regelmäßig ausgewogen zu versorgen. Es erfährt auch nicht, wie es ist, in sich hinein zu spüren und herauszufinden, was es gerade braucht. Ist es Salat? Ist es Schokolade? Oder ist es vielleicht etwas ganz anderes? – In vielen Fällen können äußere Anreize Kinder dazu verführen, die eigene Stimme zu überhören. Dann resultiert aus der (gut gemeinten) Belohnung das Gegenteil: Das Kind entwickelt eine immer größere Toleranz, gegen die eigene Überzeugung zu handeln, solange es dafür ein „Schmerzensgeld“ bekommt.
2. Belohnungen rauben Kindern das Geschenk, stolz auf sich zu sein
Gerade bei eingefahrenen oder gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensweisen kann es hilfreich sein, die eigenen Muster mit einem Augenzwinkern zu hinterfragen: Ist Zimmer aufräumen wirklich so schrecklich, dass es nur mit einer Belohnung machbar ist? Ist es tatsächlich unmöglich, den Heimweg vom Spielplatz einvernehmlich anzutreten, ohne mit Süßkram zu locken? Oder kann Ihr Kind das schaffen? – Wir glauben ja! Weil das eigentliche Geschenk, das dahinter wartet, süßer ist als Schokopudding und bunter als extra Medienzeit: das souveräne Gefühl, etwas aus eigenem Antrieb geschafft zu haben. Vielleicht nicht jeden Tag, aber mit Sicherheit immer häufiger.
Zu Beginn steht die Belohnung. Sie soll ein gewünschtes Verhalten auslösen, das dann hoffentlich Stück für Stück zu einer neuen Gewohnheit wird. Das ist ja der Wunsch, der hinter äußeren Anreizen steht. – Aber wie fühlt es sich an, wenn das Ziel nicht erreicht wird? Wenn Ihr Kind nicht die gewünschte Note in der Mathearbeit schreibt? Wenn es nicht sein Zimmer aufräumt und standhaft keinen Spinat isst? Dann bleibt die Belohnung aus und das fühlt sich an wie eine Strafe. Das Selbstvertrauen sinkt – und die Kooperationsbereitschaft Ihres Nachwuchses gleich mit.
Kinder mit Leichtigkeit motivieren – so geht‘s
In erster Linie lernen Kinder durch Vorbilder. Indem Eltern und andere Erziehungsberechtigte Dinge aus sich heraus tun, in Einklang mit ihren Überzeugungen handeln und unliebsames Verhalten nicht abwerten, erfahren sie Toleranz, Verbundenheit und Wertschätzung. Auch dann angenommen zu sein, wenn sie nicht den Vorstellungen anderer entsprechen, steigert das Gefühl von Sicherheit und hilft Kindern, von klein auf Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstständigkeit zu entwickeln – alles notwendige Voraussetzungen für ein erfülltes Leben.
Neben dem Vorleben gewünschter Verhaltensweisen ist Zeit – Sie ahnten es bereits! – das Zaubermittel für ein funktionierendes Miteinander. Sei es, um Konflikte souverän miteinander und ohne Belohnungen zu lösen. Oder tatsächlich als gezielte Motivation, um Dinge zu erreichen, die Ihrem Kind alleine (noch) schwerfallen würden. „Die Klassenlektüre fühlt sich so lang an!“ – „Wenn du ein Kapitel gelesen hast, lesen wir ein paar Seiten gemeinsam.“ Solche wohl dosierten Anreize können als eine Art Gehhilfe dienen, wenn der Weg für das Kind alleine zu steinig wäre. Gleichzeitig zahlen sie auf etwas viel Größeres ein: eine echte Beziehung zu Ihrem Kind. In jungen Jahren begonnen, hält sie gewiss ein Leben lang.